Die Ausstellung A Change in Weather (Broadcast Material 1989–2001) stellt zum ersten Mal in umfassender Weise die Arbeit des in Köln lebenden Künstlers Matthias Groebel (*1958 in Aachen, DE) vor, der in den letzten vier Jahrzehnten weitgehend abseits institutioneller Aufmerksamkeit ein einzigartiges Oeuvre von auf Fernsehbildern basierenden Malereien sowie Fotografien, Videos, Zeichnungen und Recherchearbeiten geschaffen hat. Als ausgebildeter Pharmazeut kam Groebel Anfang der 1980er Jahre als Autodidakt zur Kunst. Zur selben Zeit verbreitete sich das analoge, private Satellitenfernsehen in den westdeutschen Privathaushalten und ermöglichte eine vorher nie dagewesene Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit und einen breiten Zugang zu internationalen Fernsehprogrammen. Groebels Arbeiten reflektieren diese mediale Bedingung des Open Access Television, die den gegenwärtigen subskriptionsbasierten, digitalen Streaming-Diensten und dem Pay-TV unmittelbar vorausging.
A Change in Weather (Broadcast Material 1989–2001) fokussiert auf eine Auswahl seiner etwa 200 Malereien aus der Zeit von 1989 bis 2001, die auf appropriierten analogen Fernsehbildern bzw. -stills beruhen und sich von konventioneller Malerei insbesondere durch ihre maschinenunterstützte Produktion unterscheiden: Groebel entwickelte Ende der 1980er Jahre eine Maschine, mit deren Hilfe er Stills aus dem laufenden Fernsehen nachträglich mit einer Airbrush-Pistole und einem mehrstufigen, komplexen Farbauftrag auf Leinwand übertragen konnte. Groebels Produktionsprozess spielt auf ein wechselseitiges, eng verwickeltes Verhältnis zwischen Künstler:in/Maler:in, Technologie und generativer Formfindung in einer Zeit des tiefgreifenden technologischen Wandels und der digitalen Wende an. Seine Malereien basieren auf allgegenwärtigen medialen Bildern aus der Zeit – generisch und gleichzeitig hochgradig konnotiert –, und haben dadurch wie er selbst sagt „auch dann einen Effekt, wenn Du es gar nicht willst“.
Groebels Malereien zeichnen ein präzises Portrait der televisuellen Medienlandschaft der 1990er Jahre und ihrer spezifischen Mischung aus Voyeurismus, Reality TV, permanenter Selbstinszenierung und Überwachung. Sie vermitteln ein Gefühl für die hypnotischen Erfahrungsräume des analogen Fernsehers – für seine flimmernden, von hinten beleuchteten und verschwommenen Bilder, sein Übermaß an sprechenden Köpfen und Nahaufnahmen von Körpern und Körperteilen und seine grenzüberschreitende Intimität. Im Unterschied zum unerreichbaren Hollywood-Filmstar auf Zelluloid suggerierte das Fernsehen eine vertraute öffentliche Persönlichkeit – eine Art sehende, sprechende Oberfläche, die einen direkt aus dem Fernsehgerät heraus anblickte. Seine Bilder haben eine mysteriöse körperliche Präsenz und eine große psychologische Latenz, welche die unterschwelligen Spannungen und Machtstrukturen herausarbeiten, die einer Geste, einem Blick oder einem Nagelkauen eigen sind – oft konträr zu den originären, profitgetriebenen Absichten der Unterhaltungsindustrie.
Die Ausstellungsarchitektur greift den Gedanken des immersiven Sogs und der Überinformation auf und spannt einen assoziativen Bogen zu Medienarchiven und kollektiv gespeichertem Wissen; oder dem kollektiven medialen Unbewussten.
Am Samstag, 4. Februar 2023 laden wir im Rahmen der Ausstellung zu einem mehrteiligen Begleitprogramm in den Kunstverein ein. Das Programm wird u.a. Beiträge der britischen Kulturtheoretikerin Sadie Plant, des deutschen Künstlers und Autors Hans-Christian Dany sowie des US-amerikanischen Experimentalmusiker-Duos Jack Callahan und Jeff Witscher beinhalten.
Kuratiert von Kathrin Bentele und Andreas Selg
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Der Kunstverein wird unterstützt durch die Landeshauptstadt Düsseldorf, de Haen-Carstanjen & Söhne und Sonnen Herzog. Die Stadtwerke Düsseldorf sind ständiger Partner des Kunstvereins.
Bild: Matthias Groebel, Ohne Titel, 1992. Courtesy Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz.