„Ich bin eine sehr unsichere Person, wankelmütig und launisch. Meine Kunstwerke empfinde ich meist als missglückt, nicht im Entferntesten als gelungene, endgültige Resultate eines abgeschlossenen Prozesses. Ich wünsche mir eigentlich immer, ich könnte innerlich endlich zur Ruhe kommen und eine 100 Prozent persönliche Ausstellung realisieren, bei der die Kunstinstitution zu demjenigen Ort der Konzentration wird, an dem ich Denken und Sehen in Einklang bringen kann. Die Malereien, die Architektur und das Interieur sind in dieser vielversprechenden Vorstellung eng miteinander verbunden. Doch am Ende lässt sich der Wunsch nie vollständig umsetzen und mit jeder folgenden Ausstellung beginnt der Kreislauf von vorn.
Reflection Paper ist eine ‚Klinik‘, in der ich abstrakte Gedanken und Emotionen einiger Schriftsteller*innen zusammentrage in dem Versuch, ‚eine Frau im wahrsten Sinne des Wortes zu sein und meinen eigenen Schoß zu nähen‘. Voll Anerkennung und mit etwas Großspurigkeit habe ich die in der Vergangenheit bereits so schwierige und qualvolle Prozedur auf mich genommen, die Intuition des Suchens mit dem Drang nach Freiheit zu verbinden. Gute Nacht, Verstand! Ich habe mich durch Seiten, Texte, Sprachkurse, Verwaltungsapparate und durch Farbkombinationen, in Schichten aufgetragen, gequält, um so weise zu werden, wie Agnes Martin es war. Auch sie filmte Blumen, und sie wurde selbst zur Blume! Den von mir selbst designten Overall zu tragen – äußerst bequem, 100 Prozent marineblaue Wolle – erinnert mich an die Hintergründe von Georgia O’Keeffes Blumenbildern. Diese Bilder sind meine persönliche Moderne – oder zumindest eine selbst erfundene Brücke.
Reflection Paper ist als kreisförmiger Garten angelegt, der dazu einlädt, über Denkweisen wie ‚Leben im Augenblick‘ oder ‚Schönheit existiert nur in unserem Kopf‘ zu reflektieren, während man durch die kaltweiß lackierte Umgebung schreitet und sich auf seinen Atem konzentriert. Da es sich bei meinen Arbeiten um Fehlschläge handelt, entfalte ich ihre Ästhetik und die Kompositionen auf dem Nährboden der Meditation. Einigen wir uns darauf, dass ‚die Gegenwart nur ein Fragment ist‘. Dieser Garten wird durch die übergroßen geblümten Unterhosen einer alten Großmutter geschützt. Sie sollen langatmige, trübsinnige Reden verhindern. Sie sollen negative Schwingungen abschirmen. Sie sollen alle negativen Zukunftssorgen zerstreuen. Von dort auf den Grabbeplatz blickend, bemerkst du die Bewegung von Sonnensegeln, die deine Statur verdecken. Ihr semitransparentes Material lässt deinen Körper nahezu mit dem Raum verschmelzen, sodass dir nichts anderes übrig bleibt, als auf deine Intuition zu vertrauen – unter den Sonnensegeln, keine Erholung.
Die Zeit der Reflexion über unseren Geist ist auch die Zeit, um unserem Verstand für die schwere Arbeit bei der Verknüpfung all dieser Kontexte zu danken. Unsere Gehirne arbeiten allzu hart für uns, genau wie unsere Augen, wenn sie auf Computer- und Smartphone-Bildschirme starren. Angesichts all der zu verzeihenden Fragen hinsichtlich unserer völlig fragmentierten Identitäten zeigt sogar die Information selbst erste Ermüdungserscheinungen. Zu verzeihen? Und zu vergessen?“
– Evelyn Taocheng Wang, aus dem Englischen übersetzt von Good & Cheap Translators
Die Ausstellung Reflection Paper wird von einem Veranstaltungsprogramm begleitet. Weitere Informationen dazu werden in Kürze auf unserer Webseite bekannt gegeben.
Anlässlich der Ausstellung entsteht eine erste umfassende Monografie zu den Arbeiten von Evelyn Taocheng Wang, die sich über die persönliche Biografie und Aufenthalte der Künstlerin an unterschiedlichen Orten entfaltet – beginnend im Jahr 2008 mit ihrer Ankunft aus China in Bleckede, Deutschland; gefolgt von ihrem Umzug nach Frankfurt am Main, um die Städelschule zu besuchen; einer Zeit in Amsterdam bei De Ateliers sowie in Rotterdam und zuletzt Aufenthalten in Mönchengladbach und Düsseldorf. Da Evelyn Taocheng Wangs künstlerische Recherche stark von persönlichen Erfahrungen und Begegnungen geprägt ist, wird die Publikation anhand von verschiedenen Texten versuchen, deren Einfluss auf Wangs Zeichnungen, Gemälde, Collagen, Fotografien, Videoarbeiten, narrativen Texte, Installationen, Performances und Modekollektionen im Laufe der letzten dreizehn Jahre aufzuzeigen. Die Monografie wird vom Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, gemeinsam mit Dancing Foxes Press, New York, herausgegeben und erscheint im Herbst 2021.
Kuratorin: Eva Birkenstock (Direktion)
Kuratorische Assistenz: Gesa Hüwe
Finanzen / Administration: Hanna Welzel
Technische Leitung: Marius Comanns
Mitglieder: Sigrid Konopka
Praktikum: Nicole Kostezki / Sumru Tekin
Die Ausstellung wird gefördert durch
Landeshauptstadt Düsseldorf
Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen
Stadtwerke Düsseldorf
Mondriaan Fund
Königreich der Niederlande
Thonet