Pressekonferenz

Evelyn Taocheng Wang – Reflection Paper
Online Pressekonferenz

Mittwoch, 10. Februar 2021
11 Uhr

Da der Kunstverein aufgrund der aktuellen Coronaschutzverordnung noch bis mindestens einschließlich 15. Februar 2021 geschlossen bliebt, findet der Presserundgang ausschließlich online über die Plattform Zoom statt. Bitte melden Sie dich bei Interesse vorab per E-Mail an: huewe@kunstverein-duesseldorf.de. Der Link zu der Onlineveranstaltung wird Ihnen anschließend zugeschickt.

„Ich bin eine sehr unsichere Person, wankelmütig und launisch. Meine Kunstwerke empfinde ich meist als missglückt, nicht im Entferntesten als gelungene, endgültige Resultate eines abgeschlossenen Prozesses. Ich wünsche mir eigentlich immer, ich könnte innerlich endlich zur Ruhe kommen und eine 100 Prozent persönliche Ausstellung realisieren, bei der die Kunstinstitution zu demjenigen Ort der Konzentration wird, an dem ich Denken und Sehen in Einklang bringen kann. Die Malereien, die Architektur und das Interieur sind in dieser vielversprechenden Vorstellung eng miteinander verbunden. Doch am Ende lässt sich der Wunsch nie vollständig umsetzen und mit jeder folgenden Ausstellung beginnt der Kreislauf von vorn.

Reflection Paper ist eine ‚Klinik‘, in der ich abstrakte Gedanken und Emotionen einiger Schriftsteller*innen zusammentrage in dem Versuch, ‚eine Frau im wahrsten Sinne des Wortes zu sein und meinen eigenen Schoß zu nähen‘. Voll Anerkennung und mit etwas Großspurigkeit habe ich die in der Vergangenheit bereits so schwierige und qualvolle Prozedur auf mich genommen, die Intuition des Suchens mit dem Drang nach Freiheit zu verbinden. Gute Nacht, Verstand! Ich habe mich durch Seiten, Texte, Sprachkurse, Verwaltungsapparate und durch Farbkombinationen, in Schichten aufgetragen, gequält, um so weise zu werden, wie Agnes Martin es war. Auch sie filmte Blumen, und sie wurde selbst zur Blume! Den von mir selbst designten Overall zu tragen – äußerst bequem, 100 Prozent marineblaue Wolle – erinnert mich an die Hintergründe von Georgia O’Keeffes Blumenbildern. Diese Bilder sind meine persönliche Moderne – oder zumindest eine selbst erfundene Brücke.

Reflection Paper ist als kreisförmiger Garten angelegt, der dazu einlädt, über Denkweisen wie ‚Leben im Augenblick‘ oder ‚Schönheit existiert nur in unserem Kopf‘ zu reflektieren, während man durch die kaltweiß lackierte Umgebung schreitet und sich auf seinen Atem konzentriert. Da es sich bei meinen Arbeiten um Fehlschläge handelt, entfalte ich ihre Ästhetik und die Kompositionen auf dem Nährboden der Meditation. Einigen wir uns darauf, dass ‚die Gegenwart nur ein Fragment ist‘. Dieser Garten wird durch die übergroßen geblümten Unterhosen einer alten Großmutter geschützt. Sie sollen langatmige, trübsinnige Reden verhindern. Sie sollen negative Schwingungen abschirmen. Sie sollen alle negativen Zukunftssorgen zerstreuen. Von dort auf den Grabbeplatz blickend, bemerkst du die Bewegung von Sonnensegeln, die deine Statur verdecken. Ihr semitransparentes Material lässt deinen Körper nahezu mit dem Raum verschmelzen, sodass dir nichts anderes übrig bleibt, als auf deine Intuition zu vertrauen – unter den Sonnensegeln, keine Erholung.

Die Zeit der Reflexion über unseren Geist ist auch die Zeit, um unserem Verstand für die schwere Arbeit bei der Verknüpfung all dieser Kontexte zu danken. Unsere Gehirne arbeiten allzu hart für uns, genau wie unsere Augen, wenn sie auf Computer- und Smartphone-Bildschirme starren. Angesichts all der zu verzeihenden Fragen hinsichtlich unserer völlig fragmentierten Identitäten zeigt sogar die Information selbst erste Ermüdungserscheinungen. Zu verzeihen? Und zu vergessen?“

– Evelyn Taocheng Wang, aus dem Englischen übersetzt von Good & Cheap Translators

Veranstaltungen
Die Ausstellung Reflection Paper der in Rotterdam lebenden Evelyn Taocheng Wang ist bereits seit Dezember 2020 im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf installiert. Zu diesem Anlass hat Evelyn Taocheng Wang den Kunstverein mit seinem Foyer in einen Handlungs-, Verhandlungs- und Behandlungsraum in Form einer Klinik transformiert, welche die Besucher*innen zur Reflexion einlädt. Umgeben von Zeichnungen, Malereien, Skulpturen, Schriftrollen und Videoarbeiten, die größtenteils für die Ausstellung entstanden sind, wird die Künstlerin in ihrem ‚Garten’, welcher das Zentrum der Ausstellung bildet – sobald wie möglich – persönlich zu performativen „Behandlungen“, zu Lesungen und anderen Veranstaltungen einladen.

Aufgrund der aktuellen Coronaschutzverordnung bleibt der Kunstverein jedoch bis mindestens einschließlich 15. Februar 2021 für die Öffentlichkeit geschlossen. In der Zwischenzeit wird gemeinsam mit der Künstlerin ein Onlineprogramm erarbeitet, das ab Mitte Februar auf unserer Webseite veröffentlicht wird.

Zudem freuen wir uns, ab Donnerstag, 18. Februar, 17 Uhr wöchentlich Onlineführungen mit dem Team des Kunstvereins durch die Ausstellung anzubieten. Für eine Teilnahme ist eine vorherige Anmeldung erforderlich unter: huewe@kunstverein-duesseldorf.de.

Weitere Informationen zu dem Veranstaltungsprogramm, den jeweiligen Terminen und der möglichen Eröffnung der Ausstellung werden wir zu gegebener Zeit auf unserer Webseite bekanntgeben: www.kunstverein-duesseldorf.de.

Publikation
Anlässlich der Ausstellung entsteht eine erste umfassende Monografie zu den Arbeiten von Evelyn Taocheng Wang, die sich über die persönliche Biografie und Aufenthalte der Künstlerin an unterschiedlichen Orten entfaltet – beginnend im Jahr 2008 mit ihrer Ankunft aus China in Bleckede, Deutschland; gefolgt von ihrem Umzug nach Frankfurt am Main, um die Städelschule zu besuchen; einer Zeit in Amsterdam bei De Ateliers sowie in Rotterdam und zuletzt Aufenthalten in Mönchengladbach und Düsseldorf. Da Evelyn Taocheng Wangs künstlerische Recherche stark von persönlichen Erfahrungen und Begegnungen geprägt ist, wird die Publikation anhand von verschiedenen Texten versuchen, deren Einfluss auf Wangs Zeichnungen, Gemälde, Collagen, Fotografien, Videoarbeiten, narrativen Texte, Installationen, Performances und Modekollektionen im Laufe der letzten dreizehn Jahre aufzuzeigen. Die Monografie wird vom Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, gemeinsam mit Dancing Foxes Press, New York, herausgegeben und erscheint im Dezember 2021.

Die Ausstellung Reflection Paper von Evelyn Taocheng Wang wurde von Eva Birkenstock kuratiert.

Biografie
Evelyn Taocheng Wang (*1981 in Chengdu, CN, lebt in Rotterdam) studierte traditionelle Malerei, klassische chinesische Literatur, Kunstgeschichte und visuelle Kommunikation in China. Ihr Studium setzte sie an der Städelschule in Frankfurt am Main fort und konzentrierte sich dabei auf das, was sie „westliche konzeptionelle Kunsttheorie, Bildpräsentation und deren Kombinationen“ nennt. Von 2012 bis 2014 lebte sie als De Ateliers-Stipendiatin in Amsterdam und arbeitete in einem chinesischen Massagesalon mitten in Amsterdams touristischem Zentrum. Nach ihrer Ankunft aus China finanzierte sie ihr Malerei-Studium ein Jahr lang als traditionelle Masseurin. „Ich musste noch nie zuvor einen so schwierigen, körperlichen Job ausüben“, erinnert sich Wang, „als ich anfing, hatte ich keine Erfahrung als Masseurin, also durfte ich nur an Touristen oder neuen Kunden arbeiten.“ Tagebucheinträge, die sie am Ende ihrer Arbeitstage verfasste, überführte sie nach und nach in eine Serie von Zeichnungen, von denen bereits einige in der Gruppenausstellung Maskulinitäten (2019) im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf gezeigt wurden. Indem sie traditionelle Elemente mit zeitgenössischen Themen verbindet, mischt Wang emotionale, poetische und autobiografische Erzählungen und konzentriert sich dabei auf die Beziehungen zwischen dem Traditionellen und dem Zeitgenössischen; zwischen kultureller und sozialer Identität; zwischen dem Original und der Reproduktion, sowie auf Geschlechterrollen und die Autonomie von Körpern. Neben zahlreichen internationalen Ausstellungsbeteiligungen u. a. bei der documenta 14 in Kassel, im ICA/London (beide 2017), Wiels/Brüssel, und im Stedelijk Museum Amsterdam (beide 2020), wurde sie 2018 mit dem Dolf Henkes Preis ausgezeichnet, ein Jahr später gewann sie den renommierten ABN AMRO Art Award.