Eröffnung: Freitag, 22. September 2023
In der Einzelausstellung Drawing something under itself befasst sich Fiona Connor (geb. 1981 in Auckland, Neuseeland, lebt und arbeitet in Los Angeles, USA) mit der Materialität und Symbolik von Repetition und Abweichung. Diese Spannung zwischen Wiederholung und Abwandlung bildet nicht nur das Fundament ihrer Arbeit, sondern ist auch grundlegend für jede pädagogische Situation: Handlungsabläufe, Methoden und Praktiken werden einstudiert, erlernt, wieder und wieder erprobt und trotzdem ist jede darauffolgende Anwendung eine Variante, die nie identisch ist, sich unterscheidet und eigene Formen, Wege und Perspektiven findet.
Connors skulpturale Praxis beruht auf der akribischen und handwerklich komplexen Imitation von gefundenen, ausrangierten oder noch gebrauchten Objekten und größeren Architekturfragmenten, wobei sich ihr Augenmerk immer wieder auf die detailgetreue Replikation von Patina, Abnutzung und Verschleiß richtet. Ihren Arbeiten liegt ein tief empathisches Moment zugrunde, da sie weniger auf handwerkliche Perfektion fokussieren als auf den Prozess des physischen Wiederaufführens und Nachvollziehens der materiellen Handlungen, investierten Arbeit und der sozialen und materiellen Geschichte, die sich am und im Objekt realisiert haben. Dem geht immer ein Lernprozess und ein genaues materielles Studium voraus – eine Art Reverse Engineering, bei dem die Künstlerin Objekte auf ihre einzelnen Bestandteile und ihre materielle Gemachtheit zurückbuchstabiert. Connors Arbeit ist damit von Anfang an intrinsisch mit Fragen des Lernens beschäftigt. Dies involviert immer eine Zusammenarbeit mit Anderen – Bauingenieur:innen, Metallgießer:innen, Studioassistent:innen –, und macht Prozesse von materieller und kontextueller Übersetzung zu einem essentiellen Bestandteil ihrer Arbeit.
In Drawing something under itself konfiguriert Connor mehrere Displays, die auf unterschiedliche Formen von Ausbildung und Praxis und eine Idee des verkörperten Sehens anspielen: Fünf Demonstrationen von traditionellem Mauerhandwerk stehen neben losen und sich wiederholenden Konstellationen von stapelbaren Stühlen aus dem historischen Bestand des Kunstverein-/Kunsthalle-Gebäudes. Die Stühle sind sowohl eine Stütze für die Künstlerin, um beobachtende Zeichnungen herzustellen, als auch eine Stütze für die Zeichenbretter, auf denen die Zeichnungen angebracht sind. Praktiken des Bauens und Zeichnens begegnen sich hier und offenbaren nicht nur unterschiedliche Perspektiven auf Arbeit und (Kunst-)Fertigkeit, sondern stellen auch die Unterscheidung zwischen (künstlerischer) Replikation und der mehrmaligen Ausführung ein und derselben pädagogischen handwerklichen Übung grundlegend in Frage, da Connor für den Bau der Ziegelwände mit lokalen auszubildenden Maurern zusammenarbeitet. Connor lenkt unseren Blick schließlich auf die subtilen räumlichen Verschiebungen und Perspektivwechsel in ihren Zeichnungen, die unterschiedliche Blickwinkel auf den Ausstellungsraum und die sich darin befindenden Objekte wiedergeben. Diese Zeichnungen akkumulieren sich mit der Dauer der Ausstellung, da Connor fortlaufend neue Zeichnungen produziert und die Idee einer sich im Bau befindenden Ausstellung aufwirft. Die Stühle werden gezeichnet, während Connor auf den Stühlen sitzt, womit sie das im Ausstellungstitel angedeutete Paradox aufführt.
Drawing something under itself greift des Weiteren den Gedanken von Hilfs- und Stützstrukturen auf – jene physischen Objekte, die hinter oder unter dem, was sie stützen, halten und tragen sollen, zweitrangig und unsichtbar bleiben. Neben weiteren Arbeiten zeigt Connor eine Akkumulation des gesamten Sockel-Bestands des Kunstvereins und bringt damit nicht nur das verborgene Lager ins Spiel, sondern lässt auch zu, dass die Ansammlung verschiedenster Weißtöne und Gebrauchs- und Abnutzungsspuren zu Objekten der Betrachtung werden und möglicherweise wie eigene Replikationen erschienen.
Die Ausstellung ist zuletzt auch eine Auseinandersetzung der Künstlerin mit dem eigenen Familienarchiv; ihr Vater Bruce Connor besuchte als ein Vorarbeiter des Cubitt Travel Prize in den 1950er Jahren Baustellen und Ausbildungszentren der Bauindustrie im Rhein-/Ruhrgebiet, um hier neueste organisatorische und bauliche Prozesse während des Wiederaufbaus zu studieren. Die Ausstellung im Kunstverein ist somit auch ein Wiederaufgreifen, Zurückkommen und eine Erweiterung dieses persönlichen Archivs.
Drawing something under itself ist Fiona Connors erste institutionelle Einzelausstellung in Deutschland. Während der Laufzeit finden verschiedene spontane und öffentliche Veranstaltungen und kunstpädagogische Workshops im Foyer statt, wo Fiona Connor eine für alle Besucher:innen zugängliche Druckwerkstatt einrichtet. Hier findet man auch eine von der Künstlerin entwickelte Schrift, die benutzt werden kann und sich aus gefundenen Schriftzeichen aus dem Archiv und der unmittelbaren Umgebung des Kunstvereins ableitet.
Kuratiert von Kathrin Bentele
Die Ausstellung wird grosszügig unterstützt durch die Kunststiftung NRW, Creative New Zealand, die Bauindustrie Nordrhein-Westfalen, die Michael Schmidt GmbH & Co. KG und Lampolet. Der Kunstverein wird durch eine ständige Partnerschaft der Stadtwerke Düsseldorf, durch die Landeshauptstadt Düsseldorf und de Haen-Carstanjen & Söhne unterstützt.
Bruce Connor, Reisebericht über einen vierzehntägigen Besuch in Deutschland und Holland, 1956. Das Foto zeigt das Ausbildungszentrum Essen, Berufsförderungswerk der Bauindustrie NRW gGmbH. Courtesy Familie Connor.