Workshop

Unreproduktive Begehren: Sexuelle Befreiungen von unseren Geschlechtern
Kerstin Stakemeier (Professorin für Kunsttheorie und -vermittlung, Nürnberg)

Samstag, 5. Oktober 2019
14 Uhr

Sexualisierte Transgressionen umgibt ein Flair von Radikalität, es sind Exzesse sich befreiender Begehren. Dabei handelt es sich bei den Bildern solcher Befreiung die ihren Ursprung meist in den späten 1960er Jahre haben, oftmals schlicht um Szenarien entgrenzter Heterosexualitäten: eher traumatisierend als befreiend. Bürgerliche Klischées von Männlichkeiten und Weiblichkeiten, deren Transgressionen vor allem in der Übersteigerung gesellschaftlich vollständig konformer Begehrenssstrukturen liegen: Freie Liebe als Ermächtigung eines erweiterten Zugriffs, Transgression als exzessive Expansion des tagtäglich ohnehin Erlittenen.

Eine sexuelle Befreiung aus dieser Situation läge demgegenüber eher in einer Abschaffung unserer allzu modernen Geschlechterformen, ihrer Entsexualisierung, und der Denaturalisierung ihrer pausenlosen Reproduktion: gemischtgeschlechtliche Begehren Jenseits der Heterosexualität, aber eben auch die Öffnung von gleichgeschlechtlichen als letztlich immer auch gemischtgeschlechtlichen Begehren. Ein Exzess nicht an Zugriff sondern an Differenz.

Unsere Körper sind bis heute bestimmt von den disziplinierenden Einschränkung einer sexuellen Lesbarkeit die nur im Verhältnis zum modernen Zwei-Geschlechter-Modell existiert. Wir leben in verstaatlichten Körpern, deren moderne Sensibilitäten unverzichtbare Bestandteile einer immer noch kolonialen und kolonisierenden Ordnung sind. Aber es gibt in der Gegenwart und in ihren Vergangenheiten viele Ansätze sexueller Befreiungen die nicht vorschlagen den ohnehin brutalistischen Modernismus unserer Begehren in die Selbstübersteigerung zu entlassen. Sie verschieben die Perspektive: von der heroistischen Transgression unserer modernen Geschlechter, zu einer Sexualisierug die entspringt daraus immer schon das Objekt einer fortgesetzen Transgression to sein. Moderne Heterosexualität transgressiert uns, sie ist als gesellschaftlicher Stereotyp synthetisch, manieristisch, absurd, lächerlich, queer. Im Workshop werden Materialien unserer antrainierten Manierismen gesammelt, diskutiert, und neu geordnet. (Kerstin Stakemeier)

Kerstin Stakemeier ist Professorin für Kunsttheorie und -vermittlung an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg. Sie lehrt, schreibt und realisiert Veranstaltungen und Ausstellungen oft in Kollaborationen, wie u. a. Universal Receptivity (2019/20, Seminar/Buch mit Bill Dietz), Klassensprachen – Class Languages (ab 2017, Ausstellungen/Magazin mit Manuela Ammer, Eva Birkenstock, Jenny Nachtigall, Stephanie Weber), Producing Autonomy (Buch mit Marina Vishmidt, 2016), Macht des Materials/Politik der Materialität, Fragile Identitäten, Die Gegenwart der Zukunft (2014–2018, Veranstaltungsreihen/Publikationen mit Susanne Witzgall). 2017 erschien bei b_books Entgrenzter Formalismus. Verfahren einer antimodernen Ästhetik, 2021 kuratiert Stakemeier gemeinsam mit Anselm Franke Iliberal Arts im Haus der Kulturen der Welt, Berlin.

Eintritt 4 Euro. Ermäßigt 2 Euro. Für Mitglieder ist der Eintritt frei. Anmeldung erforderlich unter: mail@kunstverein-duesseldorf.de.

Die Veranstaltung findet im Rahmen der Ausstellung Maskulinitäten. Eine Kooperation von Bonner Kunstverein, Kölnischem Kunstverein und Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf (1. September – 24. November 2019) statt.