Video-Dokumentation

Tell me about it – Beschreiben in Auswegen
Gespräch mit Gerry Bibby und Tanja Widmann

Montag, 21. September 2020

Die Werkbeschreibung, eine vermeintlich neutrale, standardisierte Textform, begegnet uns regelmäßig in Zusammenhang mit künstlerischen Arbeiten (in Wandtexten, Kritiken, Kunstvermittlungsaktivitäten). Zumeist wird sie als notwendiges Übel betrachtet, als Mittel zum Zweck oder lästige Vorarbeit für die „Kür“ der Meinungsbildung. Ins Positive gekehrt lässt sich allerdings auch behaupten, dass die Werkbeschreibung die Grundlage für jede Verständigung über Kunst schafft: Was sie „sieht“ oder ausblendet, wie sie gewichtet und ordnet, welche (Sprach- )Barrieren sie auftürmt oder aus dem Weg räumt, lenkt den Zugriff auf das Werk. In diesem offenen Format stellen Bibby und Widmann sich je ein Werk ihrer Wahl vor und diskutieren die ästhetischen, sozialen und persönlichen Funktion des Beschreibens als einem Prozess, in dem Reales und Fiktives, Eigenes oder Fremdes in neue, unerwartete Verbindungen treten kann.

Tanja Widmann arbeitet als Künstlerin und Autorin. Sie lehrt an der Universität für angewandte Kunst Wien. Widmanns Praxis der Installation fokussiert die Wechselwirkungen zwischen Sprache, Affekt und Subjektbildung und dem Kunstwerk als Ort ökonomischer und symbolischer Wertproduktion. Ihre Arbeiten wurden u.a. gezeigt bei Nous Moules, c/o Kunstbüro, Wien, Tomorrow today, Emanuel Layr, Wien, Destination Vienna, Kunsthalle, Wien, Unruhe der Form. Entwürfe des politischen Subjekts, Secession, Wien, eine von euch, Grazer Kunstverein, Graz, Badischer Kunstverein, Karlsruhe;_ Manifesta 8_, Murcia. 2016 initiierte sie mit Barbara Reisinger den Workshop Postapokalyptische Selbstreflexion an der Universität für angewandte Kunst, 2017 mit Tonio Kröner die Veranstaltungsreihe Postapokalyptischer Realismus am Museum Brandhorst in München. Zu ihren Publikationen zählen Tanja Widmann/Helmut Draxler (eds.): Ein kritischer Modus? Die Form der Theorie und der Inhalt der Kunst und das Künsterlinnenbuch Sich in diesem Sinne ähnlich machen. Clever & Smart. Nr. 38.

Gerry Bibby arbeitet an den Grenzen von Skulptur, Performance und Sprache und hat sich in den letzten Jahren verstärkt mit unterschiedlichsten Textformen befasst: von Erzählungen über wissenschaftliche Berichten zu Gebrauchsanweisungen und Gedichten. 2014 erschien sein Künstlerbuch The Drumhead (Sternberg Press). Bibbys Arbeit war zuletzt zu sehen bei Deborah Schamoni (München), Taylor Macklin (Zürich), Showroom (London), und in diversen Gruppenausstellungen u.a. Section Litteraire, Kunsthalle Bern; Swiss Institute Rome und bei der Biennale of Sydney’s Bureau of Writing, at Artspace, Sydney. Er ist einer der Redakteure des Künstler_innen Magazins Starship. Das Gespräch von Gerry Bibby und Tanja Widmann fand anlässlich der Ausstellung KLASSENSPRACHEN. Ausstellung, Magazin, Debatte statt, die vom 11. November 2017 bis 4. Februar 2018 im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf zu sehen war.

KLASSENSPRACHEN im Kunstverein war die zweite Station eines langfristig angelegten Arbeitszusammenhangs. Seinen Auftakt bildete ein vom Hauptstadtkulturfonds gefördertes Ausstellungs- und Debattenprogramm bei District Berlin sowie die Ausgabe null einer gemeinsamen Zeitschrift im Sommer 2017. In Anknüpfung daran präsentierte der Kunstverein eine Erweiterung des Projekts mit Vorträgen, Workshops und Performances, um die in Berlin initiierten Diskussionen in Düsseldorf fortzusetzen. Mit Kai Althoff / Isa Genzken, Gerry Bibby, Cana Bilir-Meier, CAConrad, Michaela Eichwald, Frank Engster, Fehras Publishing Practices, Sarah M. Harrison, Danny Hayward, Ann Hirsch, Karl Holmqvist, Infofiction, Stephan Janitzky, Jutta Koether, Justin Lieberman, Hanne Lippard, Thomas Locher, Karolin Meunier, Johannes Paul Raether, Aykan Safoğlu, spot the silence, Josef Strau, Hans Stützer, Linda Stupart, Ryan Trecartin, Marina Vishmidt, Peter Wächtler, Ian White, Tanja Widmann. Das Ausstellungs-, Magazin- und Veranstaltungsprojekt KLASSENSPRACHEN wurde von Manuela Ammer, Eva Birkenstock, Jenny Nachtigall, Kerstin Stakemeier und Stephanie Weber initiiert. Ausstellungsdesign mit Fotini Lazaridou-Hatzigoga.

Die Veröffentlichung der Dokumentation des Gesprächs ist Teil unseres Vorhabens, die neue Webseite des Kunstvereins als Archiv sowie als Ort der Teilhabe, Auseinandersetzung und Produktion zu aktivieren. Neben Veranstaltungs- , Ausstellungsankündigungen und Neuproduktionen, sollen hier regelmässig Dokumentationen, Ephemera, Archivalien aus der langjährigen Geschichte des Kunstvereins zugänglich gemacht werden.