Symposium

reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb

Freitag, 8. Oktober 2021
10 Uhr

Kölnischer Kunstverein, Hahnenstraße 6

Vorträge und Dialoge von und mit Michael Annoff, Maximiliane Baumgartner, Madeleine Bernstorff, Gürsoy Doğtaş, Pary El-Qalqili, Ewa Majewska, Stephanie Marchal, Chus Martínez, Nadine Oberste-Hetbleck, Bahareh Sharifi und Brigitte Sölch

Eine Kooperation zwischen dem Kunstgeschichtlichen Institut und dem Marie Jahoda Center For International Gender Studies (MaJaC), Ruhr-Universität Bochum und reboot: responsiveness, Kölnischer Kunstverein und Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf

Organisiert von Eva Birkenstock, Nikola Dietrich, Viktor Neumann und Änne Söll

100 Jahre ist es her, dass Frauen an den staatlichen Kunstakademien zugelassen wurden und damit ein Meilenstein innerhalb des langen Professionalisierungskampfes von Künstlerinnen in Deutschland getan wurde. Weiblichkeit fungiert dabei bis in die Gegenwart als eine von vielen, häufig miteinander verschränkten, hierarchisierenden und ausschließenden Kategorien, die seit jeher auch in transnationalen Kunstinstitutionen etabliert und konstruiert werden. Obwohl sich ab den 1950er Jahren zumindest ein kontinuierlicher Anstieg der Präsenz von Frauen an deutschen Kunstakademien verzeichnen lässt, hielt ihre Benachteiligung im Kunstbetrieb an. In Reaktion darauf widmete sich ein Teil der Frauenbewegung der 1970er Jahre – gemeinsam mit ihren Verbündeten aus anderen Freiheitsbewegungen – sowohl theoretisch als auch künstlerisch der Bekämpfung der institutionalisierten Ungleichheit der Geschlechter; Schwarze Frauen zusammen mit Frauen of Color unterstrichen dabei von Beginn an die Intersektionalität von strukturellen Ausschlussmechanismen. Zwar zeigen Studien minimale paritätische Veränderungen innerhalb des Feldes der zeitgenössischen Kunst seit den 1990er Jahren, doch sind Ungleichheiten weiterhin allgegenwärtig. Inwiefern die in allen Bundesländern vorgesehenen Frauen- oder Gleichstellungsbeauftragten das Kunstsystem zu transformieren vermögen, bleibt offen. Denn durch fortbestehende patriarchalische, anti-soziale und rassistische Strukturen und die daraus resultierenden Machtgefälle wird der Mythos des – weißen, heterosexuellen, cisgender und ‚fähigen’ – männlichen Genies in allen Bereichen des Feldes nur sehr zögerlich destabilisiert. Während des Symposiums werden sowohl Ursachen hinsichtlich verschränkter Machtstrukturen und Ausgrenzungsmechanismen analysiert als auch Vorschläge diskutiert, die diese zu überwinden vermögen. Wie kann eine Gleichstellung im Kunstbetrieb erreicht werden, die von Anfang an Faktoren wie Migrations- und Bildungshintergrund, sexuelle Orientierung und körperliche und neuronale Differenz von Beginn an mitbedenkt?

Der Auftakt der Veranstaltung findet am 7. Oktober 2021 im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf statt. Anhand eines von Madeleine Bernstorff zusammengestellten und kommentierten Screenings zur Suffragettenbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts sowie einer Keynote Lecture der feministischen Philosophin und Autorin Ewa Majewska wird der zeitliche und inhaltliche Rahmen des Symposiums vorgestellt. Ausgehend von den Aktionen der Guerilla Girls zur Gleichstellung in Kunstinstitutionen wird Majewska aktuelle Strategien des Widerstands, wie sie von Kunstinstitutionen in Polen erprobt und praktiziert werden, präsentieren. Sie schlägt vor, simplifizierende Konzeptionen von Parität zu Gunsten von dringlichen intersektionalen und dekolonialen Perspektiven aufzugeben.

Der zweite Teil des Symposiums findet am 8. Oktober 2021 im Kölnischen Kunstverein statt und vereint Vorträge und Dialoge zwischen Denker:innen, Künstler:innen und Kulturproduzent:innen. Der erste Block widmet sich zunächst historischen Exkursen über die Prozesse, Problematiken und Potentiale von Gleichstellung im Kunstbetrieb: Brigitte Sölch (Universität Heidelberg) wird die Situation von Kunsthistorikerinnen um 1900 beleuchten und das DFG-Netzwerk „Kunsthistorikerinnen vor 1970“ vorstellen. Nadine Oberste-Hetbleck (Universität zu Köln) gibt Einblick in die Bestände des Zentralarchivs für deutsche und internationale Kunstmarktforschung. Die Künstlerin Maximiliane Baumgartner erzählt von aus dem kunsthistorischen Kanon ausgeklammerten und trans-temporalen Solidarisierungen. In einem zweiten Block untersuchen Stephanie Marchal (Ruhr-Universität Bochum) am Beispiel der Kunstkritik und Chus Martínez (FHNW Basel) ausgehend von der künstlerischen Ausbildung institutionalisierte Ungleichheiten und eröffnen Überlegungen zu kunsthistorischen Revisionen und strukturellen Transformationen. In einem abschließenden Block, moderiert von Gürsoy Doğtaş (Universität für angewandte Kunst, Wien), beschreiben der Kurator Michael Annoff, die Regisseurin Pary El-Qalqili und die Programmleiterin von Diversity Arts Culture Bahareh Sharifi wie Diskriminierungen miteinander verknüpft sind, hinterfragen das Diversitätsverständnis des Kunstsystems und diskutieren über die Notwendigkeit eines institutionellen Verhaltenskodex und weiterer struktureller Veränderungen.

Freitag, 8. Oktober 2021, 10 – 17 Uhr, Kölnischer Kunstverein

10 Uhr, Begrüßung
Nikola Dietrich (Direktorin Kölnischer Kunstverein / reboot: responsiveness) und Änne Söll und Christine Peters (NRW Kunststiftung, Leiterin Bereich Performing Arts)

10:15 Uhr, Vortrag, in deutscher Sprache
Wider das Image der Kunsthistorikerin? Architektur, Landschaft und Territorium als Forschungs- und Handlungsfelder
Brigitte Sölch, Architektur- und Kunsthistorikerin, Universität Heidelberg
„Mein Vortrag stellt zum einen das DFG-Netzwerk ‚Wege – Methoden – Kritiken: Kunsthistorikerinnen 1880–1970‘ vor. Zum anderen nimmt er ausgehend von Beobachtungen zum aktuellen Verhältnis von Architektur- und Kunstforschung die Zeit des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts (im US-amerikanischen Raum) in den Blick. Zu fragen sein wird anhand von Architektur, Landschaft und Territorium als Forschungs- und Handlungsfelder früher Kunsthistorikerinnen: Wie bewegten und wie positionierten sich einzelne Protagonistinnen auf diesem Gebiet öffentlich: als Autorinnen, als Kritikerinnen und als Intellektuelle? Mehr noch: Welche akademischen Ausbildungsmöglichkeiten hatten sie und wie gelangten sie in ihre ‚Positionen‘? Über welche gesellschaftlichen Schichten, über welche Formen und Vorstellungen von Diversität sprechen wir?“

Vortrag, in deutscher Sprache
Parität und Solidarität im Kunstbetrieb? Ein Blick in die Archivbestände des Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung
Nadine Oberste-Hetbleck (Kunsthistorikerin, Universität zu Köln, Direktorin des Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung – ZADIK)
„Die Kunstmarktforschung ist ein intensiv in der akademischen Etablierung befindliches Forschungsgebiet. Das ZADIK widmet sich als wissenschaftliches Institut der Universität zu Köln der Archivierung, Aufbereitung, kritischreflektierenden Erforschung und Vermittlung der Historie, Strukturen, Kontexte und Entwicklungen internationaler Kunstsysteme. Im Rahmen des Vortrags sollen einleitend statistische Überlegungen zur Zusammensetzung der über 170 ZADIK-Archivbestände u.a. von Galerist:innen, Kunsthändler:innen, Kunstkritiker:innen und Kurator:innen erste Anhaltspunkte geben. Anschließend wird anhand ausgewählter Beispiele der Frage nachgegangen, was die Dokumentationen der historischen Kommunikation und Aktivitäten der Kunstmarktakteure über Parität und Solidarität im Kunstbetrieb des 20. Jahrhunderts verraten. Ein Fokus wird hierbei besonders auf Galeristinnen im Kunstmarkt gelegt.“

Bebildeter Beitrag, in deutscher Sprache
Auf Fassaden schauen oder Die vierte Wand der dritten Pädagogin
Maximiliane Baumgartner (Künstlerin)
„Maximiliane Baumgartner stellt in ihrem Beitrag ihre aktuelle künstlerische Recherche sowie die Malerei-Serie Auf Fassaden schauen oder Die vierte Wand der dritten Pädagogin vor, die sie in einer Einzelausstellung vom 26. Juni – 20. August im Kunstverein München gezeigt hat. In dieser nutzt sie das Format der Ausstellung, um verschiedene, ortsspezifische Zeit-Raum-Ebenen und deren Verflechtungen zu verdeutlichen: So greift. sie darin die Geschichte des Hof-Atelier Elvira auf und zeichnet dessen ikonische Fassade, sowie seine oft vom Kanon ausgeklammerten Auftraggeberinnen und deren Sozialkontext im Medium der Malerei nach. 1889 gaben die Frauenrechtsaktivistinnen Anita Augspurg und Sophia Goudstikker Haus und Fassade bei August Endell in Auftrag. So entstand ein Ort, an dem Frauen als Protagonistinnen das kulturelle sowie informelle Stadtgeschehen in Form von urbaner widerständiger Praxis mitgestalteten – ein Ort, welcher heute wiederum einen wichtigen Bezugspunkt innerhalb einer queerfeministischen Stadtgeschichte und der Frage nach solidarischen Handlungsräumen bildet. Als die „Große Deutsche Kunstausstellung' 1937 im Haus der Kunst stattfand und im selben Jahr die von der nationalsozialistischen Partei organisierte Feme- Ausstellung „Entartete Kunst' in den erweiterten Räumen des heutigen Kunstverein München gezeigt wurde, führten die in diesem Kontext von den Nationalsozialisten durchgeführten „Stadtsäuberungen' zum brutalen Abriss der Fassade. In freien malerischen Gegenüberstellungen von z.T. zeitlich getrennten, aber ineinander verwobenen Narrativen und Bildpolitiken, wird, ausgehend von derFrage einer Repräsentationskritik, auf das Spannungsfeld zwischen Geschichtsschreibung und Erinnerungspolitik verwiesen. Dabei soll auch der Frage nachgegangen werden, inwieweit eine Solidarisierung mit vergangenen urbanen Raumpraxen, im Sinne einer „Vernetzung über Zeiten hinweg', möglich ist. Malerei als Medium wird dabei bewusst, unter Berücksichtigung ihres Simultanprinzips, als erweitertes Handlungsfeld herangezogen.“

Moderation: Änne Söll

12:15 — 12:30 Uhr, kurze Pause

12:30 Uhr, Vortrag, in deutscher Sprache
Kunstkritikerinnen oder von der Suche nach einer inklusiveren Form von Kritik
Stephanie Marchal (Kunsthistorikerin, Ruhr Universität Bochum)
„Erst um 1970 tritt gemäß tradierter Professionalitätsparadigmen die Sozialfigur der Kunstkritikerin länderübergreifend in Erscheinung – bezeichnenderweise zeitgleich mit Einsetzen der Rede von einer Krise der Kunstkritik: Verlust von Urteilskraft, von Distanz und Autorität werden der Kritik seither v.a. angelastet. Übersehen und mit epistemischer Gewalt ignoriert wurde bislang, dass diese Krisendiagnose dem bis dato vorherrschenden, hegemonialen Begriff von Kunstkritik hinterhertrauert, wie ihn vornehmlich die ‚großen‘ Einzelfiguren der Kunstkritik von Denis Diderot bis Clement Greenberg vertraten. Erst die Kritikerinnen wiesen auf den dieser Kritikvorstellung eingeschriebenen, unzeitgemäßen Machtgestus hin und werteten die Krisensymptome produktiv um. Wie sie dies taten und mit welchen alternativen Kritikvorstellungen sie die symbolisch exklusiven, männlich geprägten Strukturen des Kunst- und Kritikbetriebs herausforderten, wird der Vortrag erstmals (kritikerinnenübergreifend) untersuchen. Zu fragen ist, wie sich moderne und postmoderne Kritikpraxen in genau dieser Frage wechselseitig erhellen und bereichern können. Dabei soll aber auch die vermeintlich „andere' Seite im Blick behalten werden. Zu pauschal wurde Opposition zu den vorliegenden, als männlich, weiß, elitär und eurozentristisch identifizierten Kritiktraditionen bezogen und dabei deren Potentiale übersehen. Zu zeigen ist, wie sich auch in kunstkritischen Ansätzen Greenbergs, der Formalismus und Klassismus stets zusammendenkt, produktive Umgangsweisen mit Alterität identifizieren lassen, mit denen es weiterzudenken lohnt, um einen inklusiveren Kritikbegriff zu entwickeln und die derzeit ubiquitäre Rede von einer Krise der Kritik einer Revision zu unterziehen.“

Vortrag, in englischer Sprache
Longing For Equality
Chus Martìnez (Institut Kunst, Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW, Basel)
„Spielt die künstlerische Ausbildung eine Rolle bei künftigen Formen der Ungleichheit? Die liberalen Grundwerte der Freiheit und Gleichheit prägen sowohl die Konzeption die künstlerischen Ausbildung als auch der Rolle der Frau im System der westlichen Kunstwelt – sollten wir ihre Prämissen ernsthaft überdenken? Interpretieren die verschiedenen Kunstwelten die Auswirkungen der Arbeit und der wirtschaftlichen Strukturen auf die Situation der Frauen richtig? Wie kann die Aufmerksamkeit der Frau für Sexualität und für die Machtunterschiede, die in heterosexuellen Beziehungen und in patriarchalen Kulturen herrschen, verändert werden? Wie kann dies einhergehen mit der radikalen Notwendigkeit, die Zuordnung zu einem Geschlecht, die bei der Geburt erfolgt, zu überdenken und die Entwicklung der Persönlichkeit und der Vorlieben des Einzelnen ohne den zwanghaften Einfluss eines gesellschaftlichen Wertesystems zuzulassen? Hinter all diesen Fragen verbirgt sich eine weitere: Wie werden all diese Erfahrungen von Geschlecht gleichzeitig durch Klasse, Ethnizität usw. beeinflusst? Der Mainstream Feminismus hat in der Vergangenheit die Stimmen von Schwarzen Frauen, queeren Frauen, Frauen aus anderen Klassen, behinderten Frauen und anderen nicht-normativen Identitäten, die eine grundlegende Rolle für die Erfahrungen von Frauen in der Welt spielen, heruntergespielt. Wir erleben das notwendige Wiederaufleben des Begriffs „Intersektionalität' und die Notwendigkeit, die Mechanismen zu beschreiben, die unterdrückerische Institutionen (Rassismus, Sexismus, Homophobie, Transphobie, Behindertenfeindlichkeit, Fremdenfeindlichkeit, Klassismus usw.) miteinander verknüpfen, und die nicht getrennt voneinander untersucht werden können. Dabei ist eines klar: Wir müssen mehr als nur eine einzige Stimme artikulieren. Wir brauchen neue Gewohnheiten auf allen Ebenen, die das Leben ausmachen!“

Moderation: Nikola Dietrich und Viktor Neumann

14 — 15 Uhr, Pause

15 Uhr, Einführung
Nach allen Regeln der Ausgrenzung – über die Notwendigkeit eines institutionellen Verhaltenskodex
Gürsoy Doğtas (Kunsthistoriker, Universität für angewandte Kunst, Wien und Kurator)
„Im Zuge eines institutionellen Leitbilds verpflichten sich Museen, Universitäten wie auch andere öffentliche Einrichtungen durch selbstaufgestellte Regeln zu einem Verhaltenskodex (Code of Conduct). Für gewöhnlich beinhaltet es ein Bekenntnis zu Gleichstellungs- und neuerdings auch Diversity-Grundsätzen, eine Aufreihung der hierzu erarbeiteten Policys sowie ein Versprechen diese auf allen Organisationsebenen (Strukturen und Praktiken) zu beachten. Auf dem Weg zu Gleichheit und Gerechtigkeit sind diese öffentlich einsehbaren Kodizes sicherlich ein wichtiges Bekenntnis, aber ihre geschliffene Rhetorik der Überzeugung und Verantwortlichkeit verschleiert die tief verankerten Strukturen der Diskriminierung – sei es in der Geschichte der Institution oder in ihrem Jetzt. Jahrzehnte bevor die Institutionen ihren Code of Conduct verfassten, forderten juristische Richtlinien von öffentlichen Forschungs- wie auch Kulturinstitutionen Antidiskriminierungsmaßnahmen, sei es über Vorgaben der Europäischen Union (2000/43/EG) oder nationale, wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Trotz vieler Gegenmaßnahmen und Strategien schreibt sich die strukturelle wie institutionelle Diskriminierung fort. Von hier muss das Diversitätsverständnis von Kunstinstitutionen kritisch hinterfragt werden. Dies setzt daran an, wer die Policys einer diversitätssensiblen Kunstinstitution wie erarbeitet. Zwischen den vielen Diskriminierungsformen, wie soziale und kulturelle Herkunft und Zugehörigkeit, Geschlechteridentität, sexuelle Orientierung, Alter, psychische und gesundheitliche Beeinträchtigung, aber auch Religion und familiärer Hintergrund, setzt dieser Panel den Schwerpunkt auf die rassistische Diskriminierung.“

Vortrag, in deutscher Sprache
Copy & Paste Diversity
Michael Annoff (Kurator, akademischer Mitarbeiter FH Potsdam)
„Akademie und Kunst versuchen zunehmend ihre Diversitätsentwicklung institutionell zu verankern. Kritiker:innen wie Sara Ahmed stellen dabei die Erfahrungen von Schwarzen und POC Diversitätsarbeiter:innen in der Mittelpunkt, die sich gegen die hegemonialen Beharrungskräfte und Tokenisierungsversuche weißer Institutionen zur Wehr setzen müssen. Michael Annoff geht noch einen Schritt zurück und berichtet von der Arbeit in Institutionen, die sich mangels von Rassismus betroffener Beschäftigter und Angehöriger bis heute im weißen Happyland wähnen. Wie schaffen es weiße bourgeoise Institutionen, nicht einfach standardisierte Gleichstellungsmaßnahmen zu kopieren, sondern einen offenen Un-Learning Prozess zu initiieren?“

Vortrag, in deutscher Sprache
Shirin spricht, aber wird nicht gehört. Performance willkommen.Selbstbestimmung abgelehnt
Pary El-Qalqili (Regisseurin)
„1976 erschien der Film ‚Shirins Hochzeit‘ von Helma Sanders-Brahms. Die Regisseurin erzählt die Figur Shirin, die vor ihrer Ehe aus der Türkei nach Köln flieht. Shirin hat keine Stimme in dem Film. Während wir Shirin szenisch bei der Arbeit in der Fabrik, beim Putzen und in der Prostitution sehen, hören wir die Voice-Over der Filmemacherin, die uns Shirins fiktives Innenleben erzählt. Der Film viktimisiert die eigentlich handlungsmächtige Figur und reiht sich damit ein in eine Reihe von Filmen, die Gastarbeiterinnen als stumme, rückwärtsgewandte und bemitleidenswerte Figuren erzählen. In meinen Vorlesungen zu Filmgeschichte und Filmtheorie an einer deutschen Filmhochschule ist mir dieser Film nicht begegnet. Als ich ihn dann sah, spürte ich einen starken inneren Widerstand. Während die anderen feministischen Filme der 60er und 70er Jahre die Figur der Gastarbeiterin nahezu auslassen, entfaltet sich hier ein gewaltsamer fixierender Blick. bell hooks' ‚widerständiger Blick‘ und andere Schriften des Schwarzen Feminismus führten mich nicht nur dazu die Erzählung der sogenannten Anderen im deutschen Kino gegen den Strich zu lesen, sondern auch in die feministische Filmpolitik. Shirins Figur begleitet mich bis heute in der feministischen Filmpolitik. Zuweilen ist mein Eindruck, dass Shirin zwar inzwischen sprechen darf, aber immer noch nicht gehört wird. Denn wie bereit ist die feministische Filmpolitik nicht nur den ‚male gaze‘ und den Ausschluss von weißen Frauen in der Filmbranche zu benennen, sondern auch die strukturelle Benachteiligung von Frauen* of Color und (post) migrantischen Frauen* vor und hinter der Kamera? Wie wird feministische Filmpolitik intersektional in der Praxis und nicht nur auf dem Papier? Und wann können wir anstatt über Diversity-Konzepte über Anti-Rassismus sprechen?“

Vortrag, in deutscher Sprache
Antidiskriminierung im Kulturbereich – eine Quadratur des Kreises?
Bahareh Sharifi (Programmleitung Diversity Arts Culture)
„Die aktuelle Corona-Pandemie, aber auch globale Bewegungen um Black Lives Matter und #metoo haben die Auswirkungen struktureller Ungleichheit, Diskriminierung und Ausgrenzung drastisch vor Augen geführt. Auch im Kulturbetrieb häufen sich Fälle von Machtmissbrauch, die öffentlich werden. Der immer noch vorherrschende Geniegedanke und die daraus resultierende Machtkonzentration auf einige Wenige führt zu ausgeprägten Hierarchien, die Diskriminierung begünstigen. Bestehendes Antidiskriminierungsrecht wird im Kulturbetrieb bislang noch unzureichend umgesetzt oder greift nicht in allen Fällen. Leitlinien und Codes of Conducts können ein Werkzeug sein, bestehende Gesetzeslücken im Umgang mit Diskriminierung zu schließen, aber auch, verbindliche Absprachen zu treffen, um transparente und gute Arbeitsbedingungen für alle zu schaffen. Der Impulsvortrag plädiert dafür, dass zielführende Diversitätsentwicklung nicht nur an eine diskriminierungs-, sondern auch machtkritische Praxis gebunden sein sollte.“

Moderation: Gürsoy Doğtas

reboot: responsiveness
Der Kölnische Kunstverein und der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf präsentieren gemeinsam reboot: – ein kollaborativer, zyklischer, antirassistischer und queer-feministischer Dialog zwischen performativen und forschungsbasierten Praktiken.

Der erste Zyklus, reboot: responsiveness, geht von den Sehnsüchten, Ängsten und Hoffnungen aus, die durch die aktuelle Pandemie verstärkt werden. An zwei unterschiedlichen, jedoch miteinander verbundenen Orten, die sich gegenseitig unterstützen, ergänzen und herausfordern, bietet reboot: responsiveness Infrastrukturen für provisorische Inszenierungen, Proben, prozesshafte Choreografien und Begegnungen rund um Themen wie Präsenz, Intimität, Fürsorge und Verantwortung. reboot: responsiveness entwickelt Aktivitäten gemeinsam mit einem Kernkollektiv bestehend aus Alex Baczynski-Jenkins, Gürsoy Doğtaş, Klara Lidén, Ewa Majewska, Rory Pilgrim, Cally Spooner und Mariana Valencia. Mittels verschiedener Formate und gemeinsam mit weiteren eingeladenen Gästen und dem Publikum in Köln und Düsseldorf werden diese Künstler:innen und Denker:innen Wege ergründen, einander Zeit zu widmen und zeitgemäß mit Zeit zu performen, alternative Vokabulare, Archive, Gesten, Bewegungen und Übersetzungen zu entwickeln, Ressourcen und Ideen zu teilen und weiterzugeben, und Modi des Widerstands und des Miteinanders als Antwort auf die aktuelle Situation, in der wir leben, zu finden.

reboot:
Konzipiert von Eva Birkenstock, Nikola Dietrich und Viktor Neumann
Kernkollektiv: Alex Baczynski-Jenkins, Gürsoy Doğtaş, Klara Lidén, Ewa Majewska, Rory Pilgrim, Cally Spooner und Mariana Valencia
Graphikdesign von Sean Yendrys

http://reboot-responsiveness.com/de/

reboot: responsiveness wird gefördert durch
Landeshauptstadt Düsseldorf
Stadtwerke Düsseldorf
Kunststiftung NRW
Stiftung Kunstfonds
Neustart Kultur

reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kölnischer Kunstverein, 8. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
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reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kölnischer Kunstverein, 8. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
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reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kölnischer Kunstverein, 8. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kölnischer Kunstverein, 8. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kölnischer Kunstverein, 8. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kölnischer Kunstverein, 8. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
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