Symposium

reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb

Donnerstag, 7. Oktober 2021
18 Uhr

Vorträge und Dialoge von und mit Michael Annoff, Maximiliane Baumgartner, Madeleine Bernstorff, Gürsoy Doğtaş, Pary El-Qalqili, Ewa Majewska, Stephanie Marchal, Chus Martínez, Nadine Oberste-Hetbleck, Bahareh Sharifi und Brigitte Sölch

Eine Kooperation zwischen dem Kunstgeschichtlichen Institut und dem Marie Jahoda Center For International Gender Studies (MaJaC), Ruhr-Universität Bochum und reboot: responsiveness, Kölnischer Kunstverein und Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf

Organisiert von Eva Birkenstock, Nikola Dietrich, Viktor Neumann und Änne Söll

100 Jahre ist es her, dass Frauen an den staatlichen Kunstakademien zugelassen wurden und damit ein Meilenstein innerhalb des langen Professionalisierungskampfes von Künstlerinnen in Deutschland getan wurde. Weiblichkeit fungiert dabei bis in die Gegenwart als eine von vielen, häufig miteinander verschränkten, hierarchisierenden und ausschließenden Kategorien, die seit jeher auch in transnationalen Kunstinstitutionen etabliert und konstruiert werden. Obwohl sich ab den 1950er Jahren zumindest ein kontinuierlicher Anstieg der Präsenz von Frauen an deutschen Kunstakademien verzeichnen lässt, hielt ihre Benachteiligung im Kunstbetrieb an. In Reaktion darauf widmete sich ein Teil der Frauenbewegung der 1970er Jahre – gemeinsam mit ihren Verbündeten aus anderen Freiheitsbewegungen – sowohl theoretisch als auch künstlerisch der Bekämpfung der institutionalisierten Ungleichheit der Geschlechter; Schwarze Frauen zusammen mit Frauen of Color unterstrichen dabei von Beginn an die Intersektionalität von strukturellen Ausschlussmechanismen. Zwar zeigen Studien minimale paritätische Veränderungen innerhalb des Feldes der zeitgenössischen Kunst seit den 1990er Jahren, doch sind Ungleichheiten weiterhin allgegenwärtig. Inwiefern die in allen Bundesländern vorgesehenen Frauen- oder Gleichstellungsbeauftragten das Kunstsystem zu transformieren vermögen, bleibt offen. Denn durch fortbestehende patriarchalische, anti-soziale und rassistische Strukturen und die daraus resultierenden Machtgefälle wird der Mythos des – weißen, heterosexuellen, cisgender und ‚fähigen’ – männlichen Genies in allen Bereichen des Feldes nur sehr zögerlich destabilisiert. Während des Symposiums werden sowohl Ursachen hinsichtlich verschränkter Machtstrukturen und Ausgrenzungsmechanismen analysiert als auch Vorschläge diskutiert, die diese zu überwinden vermögen. Wie kann eine Gleichstellung im Kunstbetrieb erreicht werden, die von Anfang an Faktoren wie Migrations- und Bildungshintergrund, sexuelle Orientierung und körperliche und neuronale Differenz von Beginn an mitbedenkt?

Der Auftakt der Veranstaltung findet am 7. Oktober 2021 im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf statt. Anhand eines von Madeleine Bernstorff zusammengestellten und kommentierten Screenings zur Suffragettenbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts sowie einer Keynote Lecture der feministischen Philosophin und Autorin Ewa Majewska wird der zeitliche und inhaltliche Rahmen des Symposiums vorgestellt. Ausgehend von den Aktionen der Guerilla Girls zur Gleichstellung in Kunstinstitutionen wird Majewska aktuelle Strategien des Widerstands, wie sie von Kunstinstitutionen in Polen erprobt und praktiziert werden, präsentieren. Sie schlägt vor, simplifizierende Konzeptionen von Parität zu Gunsten von dringlichen intersektionalen und dekolonialen Perspektiven aufzugeben.

Der zweite Teil des Symposiums findet am 8. Oktober 2021 im Kölnischen Kunstverein statt und vereint Vorträge und Dialoge zwischen Denker:innen, Künstler:innen und Kulturproduzent:innen. Der erste Block widmet sich zunächst historischen Exkursen über die Prozesse, Problematiken und Potentiale von Gleichstellung im Kunstbetrieb: Brigitte Sölch (Universität Heidelberg) wird die Situation von Kunsthistorikerinnen um 1900 beleuchten und das DFG-Netzwerk „Kunsthistorikerinnen vor 1970“ vorstellen. Nadine Oberste-Hetbleck (Universität zu Köln) gibt Einblick in die Bestände des Zentralarchivs für deutsche und internationale Kunstmarktforschung. Die Künstlerin Maximiliane Baumgartner erzählt von aus dem kunsthistorischen Kanon ausgeklammerten und trans-temporalen Solidarisierungen. In einem zweiten Block untersuchen Stephanie Marchal (Ruhr-Universität Bochum) am Beispiel der Kunstkritik und Chus Martínez (FHNW Basel) ausgehend von der künstlerischen Ausbildung institutionalisierte Ungleichheiten und eröffnen Überlegungen zu kunsthistorischen Revisionen und strukturellen Transformationen. In einem abschließenden Block, moderiert von Gürsoy Doğtaş (Universität für angewandte Kunst, Wien), beschreiben der Kurator Michael Annoff, die Regisseurin Pary El-Qalqili und die Programmleiterin von Diversity Arts Culture Bahareh Sharifi wie Diskriminierungen miteinander verknüpft sind, hinterfragen das Diversitätsverständnis des Kunstsystems und diskutieren über die Notwendigkeit eines institutionellen Verhaltenskodex und weiterer struktureller Veränderungen.

Donnerstag, 7. Oktober 2021, 18 – 21 Uhr, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf

18 Uhr, Begrüßung
Eva Birkenstock (Direktorin Ludwig Forum, Aachen / reboot: responsiveness) und Änne Söll (Kunsthistorikerin, Ruhr-Universität Bochum)

18:15 Uhr, Kommentiertes Screening, in deutscher Sprache
Suffragetten im Kunstverein
Madeleine Bernstorff (Filmkuratorin, Autorin, Lehrende, Kulturproduzentin)
„Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Erste Frauenbewegung mit ihren Forderungen nach dem Frauenwahlrecht auch im neuen Medium Kino sichtbar. Auf den Straßen der Städte war die Suffragettenbewegung als soziale Kraft spürbar geworden, die große Ängste provozierte und nicht mehr zähmbar schien: Da organisierten sich doch tatsächlich Frauen, noch dazu oft Wohlbehütete des Bürgertums, und forderten ihre Beteiligung an demokratischen Prozessen! 1913 saßen schon mehr als 1000 Suffragetten wegen ihrer politischen Kämpfe im Gefängnis. Neben Karikaturen in den Printmedien entstanden zum einen Wochenschauen und Aktualitäten, zum anderen wurden Komödien produziert, die sich karikierend auf die Emanzipations-Bewegungen der Suffragetten in den Ambivalenzen von Subversion und Affirmation bezogen. Unter dem Schutz komischer Nicht- Realität spielten Komödien ein Auseinanderbrechen der Geschlechter- und Klassenordnung durch.”

Folgende drei Filme, die im Vortrag genannt werden, stehen auch online zur Verfügung:

THE PICKPOCKET
https://www.youtube.com/watch?v=ItqzFBGftoI
Director: George D. Baker | A: Flora Finch, John Bunny
Production: Vitagraph Company of America | USA 1913
FLM52849 | Film from the collection of EYE (Amsterdam) – https://www.eyefilm.nl/

A SUFFRAGETTE INSPITE OF HIMSELF
https://www.youtube.com/watch?v=ZxOpJJLJIGA
Director: Bannister Merwin | A: Miriam Nesbitt, Ethel Browning, Marc McDermott, Production: Edison GB 1912
Längerer Text: https://centuryfilmproject.org/2018/01/10/a-suffragette-in-spite-of-himself-1912/

CUNÉGONDE REÇOIT SA FAMILLE
https://www.youtube.com/watch?v=vRjPukEK4jA
Director: unknown | Production: Lux (France) | France | 1912 |
FLM13828 | Film from the collection of EYE (Amsterdam) – https://www.eyefilm.nl/en

Dank an EYE Filmmmuseum (Elif Rongen, Marleen Labijt) und die Kinemathek Hamburg, Thomas Pfeiffer.

19:30 Uhr, Keynote, in englischer Sprache
Parity? Yes, but with bubbles. Or: why intersectional and decolonial perspectives will make the art sector more egalitarian
Ewa Majewska (Feministische Philosophin, Autorin, Aktivistin)
„In meiner Präsentation gehe ich der Frage nach derGleichberechtigung der Geschlechter in Kunstinstitutionennach, wie sie von den Guerrilla Girls aufgeworfen und 2016 in der Whitechapel Gallery in London präsentiert wurde.Ausgehend von ihrem Poster, das zeigt, dass neun vonzehn der großen staatlich geförderten Kunstinstitutionen in Polen von Frauen geleitet werden (!!!), werde ich das Thema Zentrum/Peripherie und Gleichberechtigung der Geschlechter diskutieren, sowie die Probleme, die sich aus den Bemühungen ergeben, intersektionale Strategien in Kunstinstitutionen zu entwickeln, insbesondere im Kontext von Kunstsammlungen – einige Museen in Polen diskutieren das Ausstellen von ethnischen Minderheiten und der Kunst von/über LGBTQ+ Künstler:innen und Gruppen. Ich werde darauf eingehen, weshalb Gleichberechtigung oftmals zu kurz gedacht wird, insbesondere im Zusammenhang mit nicht-binären und LGBTQ+-Personen, ethnischen und Klassenunterschieden. Dabei werde ich auch den weiteren Kontext erörtern – Faktoren wie die Ungleichheit der Geschlechter in Kunstschulen und die Haltung der Medien – und die Notwendigkeit intersektionaler und dekolonialer Perspektiven für die Theorie und Praxis der Gleichstellung betonen.“

Moderation: Eva Birkenstock und Viktor Neumann (freier Kurator / reboot: responsiveness)

reboot: responsiveness
Der Kölnische Kunstverein und der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf präsentieren gemeinsam reboot: – ein kollaborativer, zyklischer, antirassistischer und queer-feministischer Dialog zwischen performativen und forschungsbasierten Praktiken.

Der erste Zyklus, reboot: responsiveness, geht von den Sehnsüchten, Ängsten und Hoffnungen aus, die durch die aktuelle Pandemie verstärkt werden. An zwei unterschiedlichen, jedoch miteinander verbundenen Orten, die sich gegenseitig unterstützen, ergänzen und herausfordern, bietet reboot: responsiveness Infrastrukturen für provisorische Inszenierungen, Proben, prozesshafte Choreografien und Begegnungen rund um Themen wie Präsenz, Intimität, Fürsorge und Verantwortung. reboot: responsiveness entwickelt Aktivitäten gemeinsam mit einem Kernkollektiv bestehend aus Alex Baczynski-Jenkins, Gürsoy Doğtaş, Klara Lidén, Ewa Majewska, Rory Pilgrim, Cally Spooner und Mariana Valencia. Mittels verschiedener Formate und gemeinsam mit weiteren eingeladenen Gästen und dem Publikum in Köln und Düsseldorf werden diese Künstler:innen und Denker:innen Wege ergründen, einander Zeit zu widmen und zeitgemäß mit Zeit zu performen, alternative Vokabulare, Archive, Gesten, Bewegungen und Übersetzungen zu entwickeln, Ressourcen und Ideen zu teilen und weiterzugeben, und Modi des Widerstands und des Miteinanders als Antwort auf die aktuelle Situation, in der wir leben, zu finden.

reboot:
Konzipiert von Eva Birkenstock, Nikola Dietrich und Viktor Neumann
Kernkollektiv: Alex Baczynski-Jenkins, Gürsoy Doğtaş, Klara Lidén, Ewa Majewska, Rory Pilgrim, Cally Spooner und Mariana Valencia
Graphikdesign von Sean Yendrys
http://reboot-responsiveness.com/de/

reboot: responsiveness wird gefördert durch
Landeshauptstadt Düsseldorf
Stadtwerke Düsseldorf
Kunststiftung NRW
Stiftung Kunstfonds
Neustart Kultur

reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha
reboot: Parität, Diversität und Solidarität im Kunstbetrieb, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 7. Oktober 2021, Foto: Mareike Tocha