Another Eye
Another Eye: Ayo Akingbade
Screening und Q&A mit Ayo Akingbade
Donnerstag, 21. November 2024
19 Uhr
Ayo Akingbade arbeitet vorwiegend in den Medien Film und Installation, in denen sie sich mit Themen wie Macht, Urbanismus und Haltung auseinandersetzt. Viele ihrer Arbeiten dokumentieren den raschen sozialen Wandel ihrer Geburtsstadt London. Ihre Praxis, die sich neben experimenteller Filmessays und dem Dokumentarfilm auch herkömmlicheren Narrativen bedient, ist stets einer hybriden Erzählform verpflichtet. Bis heute hat Akingbade mehr als ein Dutzend Filme unterschiedlicher Länge geschrieben, produziert und als Regisseurin realisiert. Diese Ausgabe von Another Eye präsentiert zwei Arbeiten Akingbades, die sowohl ihre Interessen der vergangenen Jahre widerspiegeln, als auch neuere Verschiebungen und Entwicklungen ihrer Praxis abbilden: Dear Babylon (2019) und The Fist (2022). Im Anschluss an das Screening findet ein Q&A mit der Künstlerin statt.
Dear Babylon (2019) stellt den Abschluss der Kurzfilmtrilogie No News Today dar, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des sozialen Wohnungsbaus sowie die Folgen von Gebäudesanierungen auf die Bewohner:innen Londons kommentiert. Tower XYZ (2016) entstand in Wohnsiedlungen im Westen und Osten Londons, insbesondere in dem von Ernő Goldfinger entworfenen, heute denkmalgeschützten Trellick Tower. Street 66 (2018) beschäftigt sich dahingegen mit der Erneuerung der Angell Town, einer Wohnsiedlung im Südlondoner Stadtteil Brixton, während der 1970er-Jahre, und ist auch eine Hommage an die inzwischen verstorbene Aktivistin Dora Boatemah. Der dritte und letzte Film der Reihe, Dear Babylon, lässt in einer Kombination aus neuentstandenen Bildern und Archivmaterialien Fakt und Fiktion verschmelzen: Als sie die Zukunft des sozialen Wohnungsbaus von dem fiktiven Gesetzesentwurf „AC30 Housing Bill“ bedroht sehen, entscheiden sich drei Kunststudierende dazu, einen Protestfilm zu drehen. Die geskriptete, aber realitätsnahe Erzählung spielt im Dorset Estate, einer Hochhaussiedlung im Ostlondoner Stadtteil Bethnal Green, die 1957 von Berthold Lubetkin entworfen wurde. Der 21-minütige Film stellt Lubetkins reformistische Ideale vor und hält diese neben dokumentarische Aufnahmen von Straßenprotesten und Interviews mit Anwohner:innen, den Architekt:innen Elsie Owusu und John Allan sowie der Kuratorin Meneesha Kellay. Der in Hackney und Tower Hamlets gedrehte Film zeigt die vielfältige Geschichte dieser Stadtviertel und thematisiert Gentrifizierungsprozesse sowie die emotionale und gesellschaftspolitische Beziehung der Menschen zu Zuhause, Gemeinschaft und Ort.
Während die Mehrzahl von Akingbades Arbeiten in ihr vertrauten Gegenden ihrer Heimatstadt London spielen, wurden ihre neueren Arbeiten in Nigeria gedreht, so auch The Fist (2022), eine von Akingbades bislang ambitioniertesten Produktionen. Der Film ist eine intime Studie der Guinness-Brauerei in einem Industriegebiet der nahe Lagos gelegenen Stadt Ikeja. Das 1962 fertiggestellte, modernistische Gebäude beherbergte die erste Guinness-Brauerei außerhalb Irlands und des Vereinigten Königreiches, die nur wenige Jahre nach Nigerias Unabhängigkeit von Großbritannien eröffnete. Allerdings exportierte Guinness bereits seit dem 19. Jahrhundert Bier auf den afrikanischen Kontinent und nutzte dafür koloniale Schifffahrtsrouten über Westafrika. The Fist zeigt einen Arbeitstag in der Brauerei als Ort, an dem Kolonial-, Industrie- und Arbeiter:innengeschichten aufeinanderprallen. Die statischen Weitwinkelaufnahmen des 24-minütigen, auf 35 mm gedrehten Films werden von einer dichten Klanglandschaft und dem Verzicht auf Dialoge atmosphärisch aufgeladen – nur in einer Szene, die eine Gruppe Arbeiter:innen zu Arbeitsbeginn zeigt, sind Stimmen zu hören. In anderen Szenen wird direkte zwischenmenschliche Kommunikation durch Schilder und Slogans ersetzt. Statt auf Individuen und ihre jeweiligen Aufgaben legt der Film den Fokus so auf Maschinen und die verschiedenen Räume des Betriebs, die als Gefäße für Verantwortlichkeiten, Mechanismen und Vermächtnisse zu dienen scheinen.
Ayo Akingbade (*1994, London, UK) lebt und arbeitet in London. Sie studierte am London College of Communication und den Royal Academy Schools. Ihre erste große institutionelle Einzelausstellung, Show Me The World Mister, eröffnete 2022 in der Chisenhale Gallery, London, und wanderte anschließend zu Ausstellungsorten wie Spike Island, Bristol (2023), der John Hansard Gallery, Southampton (2023), dem BALTIC Centre for Contemporary Art, Gateshead (2023/2024) und der Whitworth Art Gallery an der University of Manchester (2024). Im Anschluss daran, erschien 2023 Akingbades erste Publikation, Show Me The World Mister. Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Gruppenausstellungen und auf Festivals präsentiert, zuletzt im Barbican Centre, London (2024) und beim International Film Festival Rotterdam (2024). Seit Mitte September dieses Jahres ist Akingbade Stipendiatin der Borderland Residencies in Kooperation mit dem Ludwig Forum Aachen. Während ihres dreimonatigen Aufenthalts erforscht sie die Geschichte der Aachener Thermalquellen und der Wasserökologie der Stadt. Die Ergebnisse dieser Forschung sollen in ein Drehbuch einfließen.
Die Veranstaltung ist eine Kooperation zwischen dem Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf und dem Ludwig Forum Aachen. Another Eye wird gefördert durch The Gingko Foundation.