Richard Sides’ The Argument (2021) ist ein modifiziertes verspiegeltes Badezimmerschränkchen, auf dessen Vorderseite mit Permanentmarker das Wort „disinformation“ (dt.: Desinformation) geschrieben steht. Die Arbeit knüpft an die installative multimediale Praxis des Künstlers an, die sich wiederholt mit den Ängsten und psychologischen Effekten unserer digital formatierten Kultur auseinandersetzt und der Frage, wie wir unter diesen Bedingungen mentale und physische Räume bewohnen und gemeinschaftlich teilen. Indem der Text die Subjekte und Umgebungen, die sich im Spiegel reflektieren mit der ironischen Behauptung einer Täuschung belegt, wirft die Arbeit narzisstische Selbstbestätigung zurück und antwortet mit einer Phrase, die in dem aktuellen postfaktischen Zustand unserer Gesellschaft leer und abgedroschen scheint und auf einer öffentlichen Toilette nicht deplatziert wäre. Angesichts der Mechanismen des neoliberalen Individualismus ist The Argument vielleicht eher eine leere Bühne oder eine Projektionsfläche. Das Innere des Schränkchens ist leer und nur schwach von gelbem Gewebeband beleuchtet. Wie auch seine jüngsten Filmarbeiten ist Sides’ Praxis oft voll schwarzem Humor und einer großen Sensibilität für die Ambiguitäten unseres gesellschaftlichen Lebens, das von Überwachung, Kontrolle, gesteigerter Selbstwahrnehmung und dem gleichzeitigen Bedürfnis nach Ganzheit bestimmt ist.
Kathrin Bentele