John Stezaker arbeitet seit dem Ende der 1960er Jahre mit gefundenen Bildern, die er beschneidet und collagiert. In jüngster Zeit wird das Werk des vor allem als Professor an der Royal Academy weithin bekannten Künstlers wieder entdeckt und mit großen Einzelausstellungen, u.a. in der renommierten Whitechapel Art Gallery in London gewürdigt.
Seine immer in Serien entwickelten Collagen zeigen surreale Portraits, Landschaften oder Genreszenen und berühren Bereich wie Film, Architektur, Sexualität oder Politik. Die fein montierten Arbeiten aus Postkarten, Buch-Abbildungen und Foto-Sammlungen vom Flohmarkt verfügen über eine außergewöhnliche Materialität.
Stezakers allererste Edition bisher, ein Zeitungsfoto aus dem Evening Standard zeigt eine moderne städtische Situation: eine dichte Ansammlung von Betonbauten, wie es sie am Rande einer jenen Metropole gibt, die aber hier auf dem Kopf steht und aus der Balance gerät – auch deshalb, weil ein leuchtendes Feuer sich in sie eingenistet hat. Das umgedrehte und beschnittene Zeitungsfoto zeigt Beirut nach dem ersten Angriff durch Israel Mitte Juli 2006. Stezakers bedrohliches Bild einer bedrohten Stadt hat etwas Unausweichliches. Mitten in der egalitären modernen Massenhaftigkeit fällt der Himmel nach unten und wird zur Hölle. Jerusalem ist der Titel der Arbeit; jedoch zeigt der Künstler nicht einen Teil der ältesten Stadt der Welt und Heiliger Ort für Juden, Christen und Muslime, sondern die libanesische Hauptstadt Beirut. Die verletzte, lange geteilte muslimisch-christliche Metropole bildet in vielerlei Hinsicht einen Gegenpart zu einem utopischen Ort, nämlich der paradiesischen Meta-Stadt, das Himmlische Jerusalem, deren ewige, friedliche, goldene Silhouette uns die Künstler des Mittelalters überlieferten. Stezakers überraschend aktuelles und doch zeitloses Bild zeigt die Stadt als Welt auf dem Kopf, in Aufruhr, Durcheinander und Auflösung.