Eröffnung: Freitag, 11. Oktober 2024, 18–22 Uhr
Anlässlich von Monica Majolis Einzelausstellung Distant Lover 2009–2024 wurde Majoli eingeladen, die Arbeit anderer Künstler:innen zu zeigen, die einen bleibenden Einfluss auf ihr eigenes Werk ausüben. In With: Tony Greene and Monica Majoli würdigt die Künstlerin die anhaltende Inspiration des Lebens und Werks von Tony Greene (1955–1990):
Ich lernte Tony Greene sechs Monate nach seinem Tod kennen. Wie ein Geist eilte ihm sein Ruf voraus; in Erinnerungen, die von der spürbaren Trauer zahlreicher befreundeter Künstler:innen erfüllt waren, welche ich 1990 getroffen hatte, als ich begann, meine Arbeiten in Los Angeles auszustellen. 1991, ein Jahr nachdem Greene im Alter von 35 Jahren an AIDS verstarb, kuratierte der Künstler Richard Hawkins die unvergessliche Gedenkausstellung Sweet Oleander: An Exhibition of Works by Tony Greene im LACE (Los Angeles Contemporary Exhibitions), die Greenes hypnotisierende Malereien in ihrer Gesamtheit präsentierte. Von der ersten Betrachtung an zogen mich diese Werke, von denen drei zentrale Arbeiten nun im Rahmen der Ausstellung im Kunstverein Düsseldorf erstmals international gezeigt werden, in ihren Bann – eine Faszination, die mich seither begleitet. Als die Direktorin des Kunstvereins, Kathrin Bentele, mir vorschlug, neben meiner eigenen eine weitere, kleine Ausstellung zu kuratieren, um meine Arbeiten zu kontextualisieren, dachte ich daher sofort an Greene, übt er doch bis heute einen entscheidenden Einfluss auf mich aus. Insbesondere die Serie Blueboys, die ich im Frühjahr 2015 begann und die nun fast zur Gänze im Kunstverein zu sehen ist, knüpft an eine zweijährige eingehende Beschäftigung mit Greenes Œuvre an. Im Sommer 2014 kuratierten die Künstlerin Judie Bamber und ich eine umfassende Werkschau Greenes im MAK Center for Art and Architecture im Schindler House in Los Angeles.
Greenes Werk entspringt einer Phase der jüngeren Kunstgeschichte, in der das Begehren von veränderten Subjektpositionen untersucht wurde und welche zugleich vor der Unmittelbarkeit der AIDS-Krise verhandelt wurden. Im Unterschied zu vielen anderen queeren Künstler:innen ihrer Zeit, die ihre Arbeit in Reaktion auf die Epidemie als explizit aktivistisch verstanden wissen wollten, hielt Greene diese schreckliche Realität in seinen Arbeiten zwar präsent, rückte Leidenschaft aber zugleich als etwas Fortdauerndes und Lebendiges in den Vordergrund. Fotografische Abbildungen sogenannter „physique photography“, naturgeschichtliche Dioramen und queer-pornografische Darstellungen von Männermündern ergänzt er um dekorative Arabesken und Rosenkreuzer-Schriftzüge, die er mit Rhoplex (einer Art Latexemulsion) und sorgfältig aufgetragenen Steinlasuren ausformt. In seinen Malereien erscheint eine stets gegenwärtige Vergangenheit entrückt und romantisiert; in Bildern, die instinktiv Begehren hervorrufen, sich aber hinter Farbschleiern, Ornamenten und dicken Latexsträngen verbergen. Das vermittelte Bild des Körpers wird sexualisiert und durch die Farbe plastisch erfahrbar gemacht, der Künstler friert es durch seine Hand ein und macht seine Involviertheit sichtbar – fast so, als würde er illuminierte Handschriften übertragen. Auf gleichermaßen ungewöhnliche wie ergreifende Weise bringt Greene eine Sehnsucht nach einer nie gekannten Vergangenheit und einer niemals existierenden Zukunft zum Ausdruck.
Tony Greene (1955–1990) schloss sein Studium der Bildenden Kunst in Los Angeles 1985 mit einem Bachelor am Otis College of Art and Design und 1987 mit einem Master am CalArts (California Institute of the Arts) ab. In den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren lebte und arbeitete er in Los Angeles und New York. Während dieser kurzen, aber produktiven künstlerischen Schaffensphase beeinflusste er eine Gruppe von Künstler:innen, die ihn ihrerseits beeinflussten und die Entwicklung zeitgenössischer Kunst fortan prägen sollten, darunter Catherine Opie, Richard Hawkins, Lari Pittman und Nayland Blake. In den Wohnungen befreundeter Künstler:innen halten seine bewegenden Malereien die Erinnerung an seine Freund:innenschaften wach und führen sein Vermächtnis als Künstler und Persönlichkeit weit über den engen Kreis aufstrebender junger Künstler:innen im Los Angeles der mittleren 1980er Jahre hinaus fort.
– Monica Majoli
Image: Tony Greene, Amid Voluptuous Calm, c. 1988, Privatsammlung
Tony Greene, Amid Voluptuous Calm, c. 1988, Privatsammlung