Eröffnung: Freitag, 14. März 2025, 18–22 Uhr
The Weight of the Invisible ist eine Ausstellung in zwei Teilen, die dem dokumentarischen Werk des Filmemachers und Fotografen Wang Bing (geb. 1967 in Xi’an, China, lebt in Paris) gewidmet ist. Seine Filme sind episch in ihrer Länge und dem historischen und politischen Ausmaß dessen, was sie zeigen, und doch befassen sie sich weniger mit den großen Ereignissen als mit den kleinen Gesten und alltäglichen Handlungen, die die konkrete Form und Substanz menschlichen Lebens ausmachen. Wang Bing lässt dem Kleinen, Beiläufigen und Marginalen eine besondere Form der Aufmerksamkeit zukommen; eine, die darum weiß, dass existenzielles Gewicht nicht unbedingt im Offensichtlichen liegt, sondern vielmehr im Dazwischen, im Langwierigen, im Andauernden und in der Akkumulation.
Wang Bings Filme sind mehr physisch als sprachlich, und auch wenn darin gesprochen wird, bergen sie etwas und lassen etwas erahnen, das sich nicht oder nur schwer in Sprache fassen lässt – oder wofür Sprache gar untersagt und vergessen gemacht wurde. So sind es meist Blicke, Gesten, Momente des Zögerns, Wartens und Innehaltens, die sich als sehr viel gravierender und bedeutsamer herausstellen als das explizit Ausformulierte. Es ist diese stoische Aufmerksamkeit für die stumme Anwesenheit des Körpers, für das zähe Vergehen der Stunden und für die physische Beschaffenheit der Umgebung, mit der Wang Bing die Verletzlichkeit und Würde menschlicher Existenz sichtbar macht. Vom vermeintlich Banalen ausgehend, ziehen seine Filme größere Kreise und berühren immer wieder die materielle Konkretheit von Prekarität, staatlicher Gewalt und Entbehrung. Sie zeigen die Welt in einem rohen, konkreten und physischen Zustand – sie wird sichtbar, hörbar, ihr Gewicht und ihr Widerstand spürbar. Das Verhältnis zwischen dem Individuum und seiner materiellen Umwelt stellt sich als kompliziert und widersprüchlich dar; einmal ist sie ein Schutzort, eine Komplizin, ein anderes Mal Erschwernis, eine Quelle der Reibung und Opposition.
The Weight of the Invisible fokussiert auf Wang Bings jüngste filmische Arbeiten – darunter eine für den Kunstverein konzipierte, installative Version seines langjährigen Projekts Youth –, die im zweiten Teil der Ausstellung auf Fotografien aus seinem früheren Werk treffen. Es gibt keine vordefinierte Erzählung, keine festgelegte Story in Wang Bings Filmen; alles, was zu sehen ist, folgt den Bewegungen und dem unvorhersehbaren Lauf dessen, was sich in Echtzeit vor der Kamera abspielt. In den Worten Wang Bings: „For me, a story doesn’t belong to this or that literary or cinematographic tradition, but to people’s life” (aus „Conversations with Wang Bing“, Piretti Editore, 2024, S. 34). So vergehen Minuten, Tage, Monate und Jahre, in denen Wang Bings ungeteilte Aufmerksamkeit den Menschen gilt, die er porträtiert, und in denen die Kamera nichts anderes tut als zuzuhören, aufzuzeichnen und sichtbar zu machen. Das bewusste Fehlen eines Skripts ist die Konsequenz einer künstlerischen Methode auf der Suche nach einer nicht-hierarchischen, offenen und direkten Erzählform, die sich der Ungewissheit und Vielschichtigkeit menschlicher Erfahrung behutsam nähert. Dies mag ein künstlerischer Akt des Widerstands sein; etwa gegen das gewaltsam erzwungene Bild einer nationalen (chinesischen) Einheit, die in Wang Bings Filmen allein durch die immense geografische Zersplitterung seiner Drehorte infrage gestellt wird.
Wang Bings Verbindung mit der Welt als Filmemacher, die gleichzeitig auch eine Ethik und Politik beschreibt, zeigt sich in der Aufgabe von Kontrolle und im Sich-Ausliefern an das Leben, wie es vor ihm erscheint. Sein Werk ist ein Versuch, der materiellen Realität möglichst nahezukommen, ohne Kommentar und ohne vorgegebene Richtung. Diese Hingabe zeigt sich vor allem in der Dauer seiner Filme und in einer zeitlichen Dimension: Dauer wird hier zu einer Verdichtung, zu einer beinahe physischen Masse, die eine Art verkörpertes Kino und ein Dasein in der Welt beschreibt, das vom Elementaren, Stofflichen und Körperlichen ausgeht.
Begleitend zur Ausstellung findet am 15. März 2025 ein Künstlergespräch mit Wang Bing im Kunstverein statt und am 16. März 2025 eine Masterclass in Kooperation mit der Filmwerkstatt Düsseldorf (mit Anmeldung). Beide Veranstaltungen werden von einem Dolmetscher simultan ins Englische übersetzt.
Part II der Ausstellung eröffnet am 6. Juni 2025 und präsentiert weitere Arbeiten von Wang Bing.
Kuratiert von Kathrin Bentele
Mit besonderem Dank an Lihong Kong, der langjährigen Kollaborateurin und Produzentin von Wang Bing.
Die Ausstellung wird gefördert durch die Kunststiftung NRW, das Institut Français Deutschland / Bureau des arts plastiques, die Kunst- und Kulturstiftung der Stadtsparkasse Düsseldorf, die Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland, und Trampoline, Association in support of the French art scene, Paris.
Wang Bing, Youth (Spring) © 2023 Gladys Glover – House on Fire – CS Production – ARTE France Cinéma – Les Films Fauves – Volya Films – WANG Bing